Projekt "Grenzenlos" Stark machen gegen Stress und Gewalt (Bericht vom 24.12.2007)

Bernd Marr mit Suhls Box-Star Ulrike Brückner. Foto: Schwabe


Suhl – Er rackert und ackert, redet, motiviert, erklärt, agiert, führt persönlich Gespräche, baut Sportgeräte auf und ab, stürmt von einer Kindertagesstätte zur anderen, öffnet und schließt die Turnhallen, bemüht sich um Lehrstellen und scheut auch an den Wochenende keine Zeit, mit seinen Schützlingen Wettkämpfe, Trainingscamps und Turniere zu besuchen. „Würde ich dabei auf die Uhr schauen“, so Bernd Marr, „dann käme ich wirklich ins Schwitzen.“

 

 

Für viele Kinder und Jugendlichen ist es ein Glücksfall, dass der Stadtsportbund Suhl den mit unbändiger Energie engagierten Bernd Marr in das Projekt „Grenzenlos“ integrierte. „Für mich war es schon eine große Herausforderung“, so der 57-Jährige, “das Projekt mit inhaltlichen Schwerpunkten zu untersetzen, etwa „Kinder stark machen gegen Gewalt und Stresssituationen im Alltag“. „Da ich aber in meiner Jugendzeit auch kein Kind von Traurigkeit war, fand ich nicht nur schnellen Kontakt, sondern ebenso das Vertrauen der bewegungsaktiven und sportinteressierten Jungen und Mädchen verschiedenster Altersklassen“, sagte Marr.

 

 

Seit den 60-er Jahren widmete sich Marr dem Boxsport, erst bei Motor West, später bei Aufbau Suhl und nach 1990 beim neu gegründeten Verein Boxring 90 Suhl. Zum Boxsport kommen immer wieder Jugendliche, die ihren Stress in der Schule, im Elternhaus oder im täglichen Leben abbauen wollen. Und es gab sogar schon gerichtliche Auflagen für Jugendliche, durch hartes Training beim Boxring 90 Frust und Stress abzubauen. Das ist keine leichte Aufgabe, die oftmals aufgestaute Aggressivität der Jugendlichen in geordnete Bahnen zu lenken. Das ist ein Prozess, der viel Einfühlungs-vermögen und Fingerspitzengefühl erfordert. „Wer zu mir kommt, um seine Athletik sowie das boxerisches Können zu steigern, dann aber seine überschüssigen Kräfte in der Öffentlichkeit zur Schau tragen möchte, hat bei uns keinen Platz. Mit ihren Unterschriften haben sich alle Jugendlichen zum ‚Projekt Grenzenlos‘ bekannt und damit jeglicher Art von Gewalt abgeschworen.“

 

Angesichts seiner vielen Erfahrungen, insbesondere mit Jugendlichen unterschiedlichster Herkunft und Interessen, sieht sich Bernd Marr als Profi für Prävention. Kinder und Jugendliche, die ihre körperlichen und psychischen Grenzen im Sport kennenlernen und im Miteinander ihre Leistungen bestätigen können, müssen nicht woanders über die Stränge schlagen.

 

 

Der 17-jährige David Michael engagiert sich für Fuß- und Volleyball und führt sein Team „Grenzenlos“ zum Turnier in der Suhler Wolfsgrube an. Jennifer Lesser lässt keinen Übungsnachmittag aus, um Federball oder Tischtennis zu spielen. Auch auf den 26-jährige Rico Rippka kann sich Bernd Marr verlassen, der mit hohem Verantwortungsgefühl die Volleyballmannschaft zum Turnier in Mühlhausen betreut. Das Projekt „Grenzenlos“ war für Sebastian Beck der Glücksfall. Der 18-Jährige entwickelte sich nicht nur zu einem exzellenten Nachwuchsboxer, sondern schloss auch seine Trainerlizenz mit Erfolg ab und bringt jetzt seine Erfahrungen im Projekt „Grenzenlos“ ein.

 

 

Längst hat Marr die Bedeutung des Sports für Kindergärten und junge Eltern mit Kindern entdeckt und zu einer festen Größe werden lassen. So gibt es nicht nur montags in Dietzhausen zum Familien- und Kindergartensport ein volles Haus, sondern auch am Freitag in der Turnhalle „Schneekopfstraße“. „Der Sport hat so viele Starkmacher zu bieten in punkto Körper-, Ich-, Leistungserfahrung, Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, Umgang mit Druck und Abbau von Stress“, sagt Marr.

 

 

Viele junge Menschen und auch Familien, die mit ihren Kindern zu den wöchentlichen Übungsstunden kommen, könnten sich schon aus finanziellen Gründen keinen kommerziellen Sport leisten. Noch bis Mai 2008 ist Bernd Marr beim Suhler Sportbund angestellt. Dann läuft seine Maßnahme aus. Ob es dann in gleicher Qualität weitergeht, darüber wollte sich der 57-Jährige nicht äußern. Letztendlich wird wohl alles von den Finanzen der Stadt abhängen.

 

Quelle/Autor: Theo Schwab - Freies Wort