Wahl-Münchnerin mit einem Suhler Herz (18.12.2007)

Beim Suhler Sport- und Presseball entspannte sich Ulrike Brückner nach einem harten

Arbeits- und Trainingsjahr. Dabei gönnte sich die Boxerin auch einen (alkoholfreien) Cocktail.

Foto: frankphoto.de


Suhl Ihr Lächeln ist charmant, sie tritt ihren Mitmenschen mit einer großen Offenheit und Freundlichkeit entgegen. Die Rede ist von Ulrike Brückner, die in diesem Jahr bei der Wahl zur Suhler „Sportlerin des Jahres“ hinter Gewichtheberin Yvonne Kranz vom Athleten-Club Suhl auf dem zweiten Platz landete. Dass Ulrike Brückner eine überaus erfolgreiche Boxerin ist, ahnen wohl nur die wenigsten, die sie zum ersten Mal sehen. Sollte jemand den leider immer noch vorhandenen Klischees über das Frauenboxen unterliegen – die inzwischen in München ansässige Suhlerin widerlegt alle Vorurteile auf entwaffnende Art und Weise. Freies Wort sprach mit der 30-jährigen Rechtsanwältin, die für den Boxring 90 Suhl antritt, über ihren Sport sowie über die kleinen und großen Sorgen einer engagierten Amateur-Athletin.

 

 

Spätestens seit der traumhaften Karriere von Regina Halmich ist Boxen in Deutschland immer mehr zu einer Frauensache geworden. Welche Rolle hat die Karlsruherin, die kürzlich ihre Boxhandschuhe an den Nagel hängte, für das Frauenboxen gespielt?

 

U. Brückner: Ohne Zweifel ist sie zu einer Art Vorreiterin für das Damenboxen geworden. Ich habe den allergrößten Respekt vor ihrer sportlichen Leistung, aber auch vor ihrer Lebensleistung. Regina Halmich hat ja zu einer Zeit angefangen, als Boxen für Frauen hierzulande kaum populär war. Doch sie hat jegliche Widerstände überwunden und ist eine hervorragendes Botschafterin der Sportart, die ich ebenso wie sie sehr gern betreibe.

 

Gab Regina Halmich den Ausschlag dafür, dass Sie in den Ring geklettert sind?

 

U. Brückner: Eher weniger. Ich bin familiär mit einer anderen Sportart vorbelastet, nämlich mit Tennis. Das habe ich auch lange Zeit gespielt. Während meines Jurastudiums habe ich dann das Thai-Boxen für mich entdeckt. Als mein Studium abgeschlossen war, hat die Jobsuche leider länger gedauert als ich gehofft hatte. In dieser Zeit war ich wieder bei meiner Familie in Suhl, doch hier wurde Thai-Boxen nicht angeboten. Deshalb bin ich dann zum klassischen Boxen gekommen und habe dies bis zum heutigen Tag nicht bereut.
 

 

Wie reagieren ihre Mitmenschen, wenn Sie erzählen, dass Sie Boxerin sind?

 

U. Brückner: Nahezu immer positiv. Negative Reaktionen habe ich bislang kaum erlebt. Ich denke einfach, dass es inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr ist, wenn eine Frau sagt, dass sie boxt.

 

Über Regina Halmich haben wir bereits gesprochen. Wie groß ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Profiboxerin wie Halmich und einer Amateurboxerin wie Ihnen?

 

U. Brückner: Dieser Unterschied ist auf jeden Fall gravierend. Es fängt damit an, dass die Amateure ganz normal arbeiten gehen und den Boxsport quasi nach Feierabend betreiben. Darüber hinaus kämpfen wir mit Kleinigkeiten, um unseren Sport so gut wie möglich ausüben zu können. Da kann es durchaus schon einmal passieren, dass bei einem Länderkampf keine entsprechenden Trikots vorhanden sind.

 

Das heißt, als Amateurboxerin ist man sehr stark auf sich allein gestellt?

 

U. Brückner: Die eigene Verantwortung ist sicher groß, aber vor allem sind die Vereine gefragt. Ohne deren tatkräftige Unterstützung ist es äußerst schwer, als Amateur erfolgreich zu sein. Deshalb kann ich nur von Glück sagen, dass mir der Boxring 90 Suhl so sensationell den Rücken stärkt. Mitglieder des Vereins sind mir sogar zum Länderkampf nach Polen hinterhergereist, um mich anzufeuern. Das ist doch fantastisch!

 

Sie leben, arbeiten und trainieren in München. Wie sind die Bedingungen in der bayerischen Metropole?

 

U. Brückner: Auch dort habe ich einen Glückstreffer gelandet. Der Verein ist super und ich habe einen Trainer, der Tag und Nacht erreichbar ist.

 

Aber ist es nicht trotzdem so, dass man manchmal die Brocken hinwerfen möchte, weil der Aufwand für den Sport zu groß wird?

 

U. Brückner: Diesen Gedanken hat man schon ab und zu im Kopf. Aber ich mag meine Sportart und will deshalb auch so lange weitermachen, wie ich in der Nationalmannschaft gefragt bin. Eins ist aber auch klar: Ich möchte seriöse Wettkämpfe absolvieren, ein gewisses Niveau ist mir dabei wichtig. In einem Bierzelt in Fürstenfeldbruck werde ich mit Sicherheit nicht boxen.

 

Wie sieht ein typischer Tagesablauf im Leben von Ulrike Brückner aus?

 

U. Brückner: Als Anwältin arbeite ich nicht gerade wenig, und deshalb kann ich schon sagen, dass mein Leben momentan aus Arbeit und Training besteht. Ich habe unter der Woche jeden Abend um 20 Uhr Training. Deshalb versuche ich, spätestens 19.30 Uhr auf der Arbeit meinen Stift hinzulegen. Man gewöhnt sich aber auch daran, dass der Ablauf ziemlich konkret durchgeplant ist. Neulich war ich drei Tage krank und musste mir erst einmal überlegen, was ich abends ohne Training überhaupt machen soll. So komisch ist das dann, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier!

 

Wie darf man sich Ihren Trainingsablauf vorstellen?

 

U. Brückner: Drei bis vier Mal pro Woche absolviere ich ein reines Boxtraining. Darüber hinaus versuche ich, Zeit für Läufe zu finden. Es gehören viele unterschiedliche Faktoren zum Boxen dazu, deshalb ist die Trainingsarbeit auch recht breit gefächert.

 

Sie starten im Schwergewicht bis 75 Kilogramm. Wie groß ist da eigentlich die Konkurrenz?

 

U. Brückner: National habe ich in meiner Gewichtsklasse nicht allzu viel Konkurrenz, wobei ich bei der Deutschen Meisterschaft durchaus gemerkt habe, dass es hierzulande einige richtig gute Gegnerinnen gibt. International sind vor allem die Russinnen ganz stark in meiner Kategorie vertreten.

 

Sie sind in diesem Jahr Deutsche Meisterin geworden und konnten weitere tolle Erfolge feiern. Hat es Sie überrascht, dass diese Leistungen mit dem zweiten Rang bei der Suhler Sportlerwahl so hoch anerkannt wurden?

 

U. Brückner: Im vergangenen Jahr war ich ja auch schon Zweite. Damals hat es mich nicht ganz so überrascht, denn ich habe ja gleich in meinem ersten Jahr als Boxerin den Deutschen Meistertitel gewonnen. Diesmal bin ich von der Wahl total überwältigt gewesen, denn ich bin ja jetzt ein Jahr aus Suhl weg. Es ist klasse, wenn man spürt, dass einen die Menschen hier immer noch genauso schätzen wie zuvor.

 

Wie viel bedeutet Ihnen als Wahl-Münchnerin ihre Suhler Herkunft?

 

U. Brückner: Suhl ist meine Heimat, und so wird es auch bleiben. Ich habe zwar schon immer als Nomade gelegt, auch durch das Studium, und fühle mich in München wirklich sehr wohl. Aber mir geht es wie den meisten anderen Menschen: Den Ort, an dem die eigenen Wurzeln liegen, vergisst man nicht.

 

Quelle/Autor: Ulrich Klemm - Freies Wort